Pollen-Taxi für Bakterien macht Halt vor Davos

Bei Asthmatikern können Bakterien und ihre Bestandteile in der Luft schwerste Entzündungen der Atemwege verursachen. Eine von CK-CARE initiierte Studie zeigt, dass hauptsächlich der Pollen des Beifußes die schädlichen Bakterien(bestandteile) transportiert und der Beifuß-Pollen dadurch noch aggressiver wird. Dies ist allerdings in bestimmten alpinen Regionen nicht der Fall, etwa in Davos.

  • über fünf Jahre täglich Untersuchungen der Luft in der Innenstadt Münchens und in Davos
  • CK-CARE kooperiert mit Technischer Universität München und Helmholtz Zentrum München
  • Analyse der Pflanzen-Pollen in der Luft, Messung der Konzentration von Endotoxinen
  • Endotoxine sind chemischen Verbindungen
  • Bakterien lagern Endotoxine auf ihrer Zelloberfläche ab
  • ​Bakterien sondern beim Absterben (Zerfall in Einzelteile) ebenfalls Endotoxine ab

Als die Wissenschaftler von CK-CARE die Luftwerte Münchens analysierten, kamen sie zu einem deutlichen Ergebnis: Die Menge an Endotoxin in der Luft nahm nur zu, wenn auch die Pollenkonzentration der Beifuß-Pflanze anstieg – unabhängig von klimatischen Veränderungen. Zur Kontrolle führten sie parallel Messungen im Alpenkurort Davos durch. Dort fiel die allgemeine Luftbelastung durch Pollen und Endotoxine sehr viel geringer aus. Dennoch war auch in Davos ein Zusammenhang von Beifuß-Pollen und den Bakteriengiften nachweisbar.

Quelle der Endotoxine gefunden

»Wir konnten nachweisen, dass Pollen wie ein Taxi fungieren und die Bakterien samt ihrer Gifte durch die Luft transportieren. Der von Natur aus sehr allergene Pollen der Pflanze ›Beifuß‹ wird dadurch noch problematischer für Allergiker und Asthmatiker«, erklären die Leiter der Studie und Professoren Claudia Traidl‑Hoffmann und Jeroen Buters.

Das Bild zeigt einen Artemisia-Pollen. Die Aufnahme erfolgte mithilfe eines Rasterelektronenmikroskops (REM). (Foto: J. Buters, ZAUM)

  • Beifuß (Artemisia vulgaris) ist in Europa weit verbreitet
  • Beifuß wächst bis zu zwei Meter hoch (viel Biomasse; hohe Pollenanzahl)
  • Beifuß-Pollen gilt erwiesenermaßen als Auslöser für Heuschnupfen

Das Studienteam untersuchte zusätzlich den Bakterienbewuchs auf Beifuß-Pflanzen, um herauszufinden, von welcher Bakterienart die Endotoxine auf dem Pollen herstammen. Sie konnten eine einzige Bakterienart als Hauptquelle identifizieren: das Bakterium Pseudomonas luteola. Es war auf 95 Prozent (!) der untersuchten Pflanzen zu finden.

Bakterien verstärken allergische Effekte des Pollens

Zuletzt testeten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Ergebnisse anhand eines komplexen Allergiemodells. Starke Entzündungszeichen der Nasenschleimhaut waren nur die Folge bei hohen Dosen des Endotoxins zusammen mit dem Beifuß-Pollen. Bei geringen Dosen des Endotoxins, dem Endotoxin alleine oder nur dem Pollen waren diese starken Effekte nicht zu messen.

»Mit diesem Wissen können wir künftig über die Pollenmessung auch eine Vorhersage darüber treffen, wann die Endotoxin-Belastung in der Luft sehr hoch ist. Für Allergiker und Asthmatiker bedeutet dies, bei Pollenalarm nicht sofort das Freie meiden zu müssen. Vielmehr können Pollenwarnungen individualisiert werden, je nach Allergietyp und Aufenthaltsort. Für therapeutische Maßnahmen, etwa in der Hochgebirgsklinik Davos, birgt dieses Wissen enorme Vorteile. Außerdem erhält der ›Davos‑Effekt‹ eine weitere, für Allergiker gewinnbringende Komponente«, erklärt Professorin Claudia Traidl-Hoffmann, die Mitglied des Direktoriums von CK-CARE ist.

Davos-Effekt: In der moderat hoch gelegenen, alpinen Region in und um Davos können allergische Symptome stark verringert und therapeutische Maßnahmen effektiv zur Anwendung gebracht werden.

Die Publikation Artemisia pollen is the main vector for airborne endotoxin ist online abrufbar.

 

Der Medizincampus wächst

Deutlich sichtbar für alle wächst in Davos Wolfgang der Medizincampus in die Höhe. 

Forschung, die unter die Haut geht

Neue Methoden der CK-CARE-Forschungsgruppe von Prof. Mirjam Schenk enthüllen molekulare Ursachen der atopischen Dermatitis.

Räumliche Transkriptomik in Kombination mit Einzelzell-RNA-Sequenzierung entschlüsselt das komplexe Netzwerk von Immunzellen bei atopischer Dermatitis

Atopische Dermatitis (AD) ist eine chronisch-entzündliche Hauterkrankung, von der weltweit bis zu 3-5 % der Erwachsenen und 20 % der Kinder betroffen sind. An der Pathophysiologie der AD sind verschiedene Faktoren beteiligt, darunter die Genetik, eine veränderte Hautbarrierefunktion und immunologische Anomalien.

Mantelstudium «ALLERGOLOGIE translational» am Medizincampus Davos

Zehn Medizinstudierende der Universität Zürich (UniZH) nahmen vom 17. bis 20. Juli 2023 am Allergologie-Mantelstudium teil. Sie erhielten einen ersten Einblick in dieses komplexe Fachgebiet und konnten einige praktische Fähigkeiten in der HGK direkt an den stationären Patienten üben.

Das Mantelstudium wird in Zusammenarbeit von CK-CARE mit der Hochgebirgsklinik Davos (HGK) sowie dem SIAF angeboten. Die wissbegierigen Studierenden erlebten vier intensive, eindrucksvolle und sehr interaktive Tage des Lernens am Medizincampus Davos unter der Leitung von Prof. Dr. Peter Schmid-Grendelmeier und Prof. Dr. Roger Lauener und unter der Mitwirkung von weiteren renommierten Fachärztinnen und Fachärzten. Die Dozierenden waren sehr begeistert von der Wissbegierigkeit und dem Interesse der Studierenden an dieser komplexen Thematik.
Die Kombination von Online-Vorkurslernen, Stationsarbeit mit Patientenkontakt, Falldiskussionen und praktischem Anwenden gab den Teilnehmenden einen abwechslungsreichen und vertiefenden Einblick in das Thema Allergologie. Es bleibt zu hoffen, dass der ein oder andere der teilnehmenden Studierenden dies in der ärztlichen Laufbahn integrieren kann.

Jahresbericht 2022

CK-CAREs Arbeiten haben inzwischen weltweite Resonanz und dank dieser starken Position konnten im Berichtsjahr bedeutsame Vorhaben in der klinische Allergieforschung lanciert bzw. katalysiert werden. Ein Highlight war zudem das GAF – Global Allergy Forum 1. bis 4. September 2022 in Davos. Die an diesem zentralen Allergiekongress teilnehmenden internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben ein unter allen Akteuren abgestimmtes Statement verfasst, das im weitverbreiteten wissenschaftlichen Organ «Allergy» unter dem Zitat: «CK-CARE findet Antworten auf die drängenden Fragen wie neue Biomarker, Ansätze für personalisierte Therapie, Prävention durch Intervention im Mikrobiom und insbesondere Edukation» veröffentlicht werden wird.

Neurodermitis-assoziierte Faktoren bei Krankheitsbeginn im Erwachsenen – verglichen zum Kindheitsalter

Die Neurodermitis (=atopische Dermatitis (AD)) wurde lange als eine Erkrankung des Kindesalters betrachtet. Eine Untersuchung der CK-CARE ProRaD-Kohorte zeigte jedoch bei fast einem Viertel der Patienten einen Beginn im Erwachsenalter, für den Risiko- und schützende Faktoren noch weitgehend unbekannt sind.
Wir konnten eine Assoziation von Rauchen und sportlicher Inaktivität als modifizierbare Lebensstilfaktoren mit dem Beginn im Erwachsenenalter zeigen. Eine mütterliche Neurodermitis, erhöhte Gesamtzahl der allergischen Antikörper sowie die Anzahl von sogenannten Atopiestigmata waren lebenszeitübergreifend mit der AD gegenüber Kontrollen assoziiert. Dies sind Merkmale, die bei allergischen Personen häufiger auftreten als in der nicht-allergischen Normalbevölkerung.
Eine eigene sowie mütterliche Nahrungsmittelallergie, höherer familiärer Bildungsgrad sowie eine verstärkte Fältelung der Handinnenflächen waren mit Auftreten einer AD im Kindesalter assoziiert. Innerhalb der AD waren Allergien und mehrere allergische Begleiterkrankungen auf einmal circa 3x unwahrscheinlicher als bei AD- Beginn im Erwachsenen verglichen zum Kindesalter. Nur der isolierte Heuschnupfen war bei Neurodermitisbeginn im Erwachsenen- wahrscheinlicher als im Kindesalter.
Unsere Ergebnisse deuten auf teilweise gemeinsame, teilweise jedoch variierende Merkmale und zugrundeliegende Mechanismen für den Krankheitsbeginn der AD im Kindes- versus Erwachsenenalters hin, tragen zu einer besseren Einschätzung des individuellen Risikos zur Entwicklung einer AD in verschiedenen Lebensphasen bei und unterstützen präventive Massnahme wie Nichtrauchen und Sport.