Eigentlich sollte es Neurodermitikern im Sommer besser gehen. Doch das trifft nicht auf alle zu. Laut einer Studie ist ein Mix aus Pollen und UV-Strahlung schuld – er macht die Haut zum Sieb.
Für Menschen mit Neurodermitis ist es eine ständige Qual – der Drang, sich immer wieder an ihren Hautrötungen kratzen zu müssen. Für manche von ihnen kommt es gerade jetzt im Sommer richtig dicke: Während der Pollenflugzeit und im Sonnenschein kann der Ausschlag extrem werden. „In den Hautzellen wird eine ganze Maschinerie angeworfen, das sogenannte Inflammasom“, erklärt Claudia Traidl-Hoffmann.
Die Medizinerin leitet das Institut für Umweltmedizin am Helmholtz Zentrum München und hat in einer Studie herausgefunden, dass einige Neurodermitis-Patienten besonders hart zu kämpfen haben, wenn Pollen und UV-B-Strahlung – die energiereicheren Sonnenstrahlen – zusammen auf den Körper treffen. „Die Haut ist wie ein Sieb“, sagt Traidl-Hoffmann. Pollen dringen dadurch ein und stoßen eine Art Dominoeffekt an.
Das Inflammasom, ein Eiweißkomplex, steckt in menschlichen Zellen und gehört zum angeborenen Immunsystem. Die Pollen schütten Substanzen aus, die an menschliche Zellrezeptoren binden. Das Inflammasom mancher Neurodermitiker löst eine Entzündungsreaktion aus, die durch UV-B-Strahlen noch verstärkt wird.
Auf der Suche nach Biomarkern
„Das ist wie eine Signalkette von einem Königreich zum anderen“, versucht Traidl-Hoffmann die Abläufe zu erläutern. Auf der einen Seite gebe es das Königreich der Pflanzen, auf der anderen Seite das des Menschen. Pflanzeninhaltsstoffe binden an menschliche Rezeptoren und überbrücken so diese zwei Reiche – mit teils verheerenden Folgen für den Menschen. Dabei mache es keinen Unterschied, ob es sich um Birken- und Gräserpollen handelt oder um noch aggressivere von der Ambrosia. Rund 10 bis 15 Prozent der Neurodermitis-Patienten zeigten die Auffälligkeiten, sagt die Institutsdirektorin. „Das versuchen wir gerade genauer zu definieren.“
Dafür sei von der Christine Kühne Stiftung ein internationales Neurodermitisregister gegründet worden (ProRaD), bei dem Betroffene in Bonn, Augsburg und der Schweiz einmal jährlich gründlich untersucht werden. „Wir suchen nach Biomarkern, die uns vorhersagen können, welche Patienten auf Umweltfaktoren wie zum Beispiel Pollen und UV reagieren“, so Traidl-Hoffmann.
Quelle: Spiegel Online vom 19. Juli 2017