Adenosin in Ambrosia-Pollen verstärkt Allergie

Das Beifussblättrige Traubenkraut (Ambrosia artemisiifolia) produziert Pollen, die starke allergische Reaktionen wie Asthma auslösen können. Ein Forschungsteam um Prof. Claudia Traidl-Hoffmann, die dem Direktorium von CK-CARE (Christine Kühne – Center for Allergy Research and Education) angehört, konnte zeigen, dass das bisher bekannte Hauptallergen nur in Kombination mit dem ebenfalls im Pollen vorhandenen Stoff Adenosin so stark allergen wirkt.

Das Unkraut Ambrosia artemisiifolia ist eine invasive Pflanze aus Nordamerika, die für den Menschen zwei herausfordernde Eigenschaften hat: Sie breitet sich in Europa rasant aus – besiedelt auch Gebiete in der Schweiz – und ihr Pollen wirkt selbst in kleinsten Mengen allergiefördernd. Gelangen Ambrosia-Pollen in die Atemwege, lösen sie starke Entzündungen im Lungengewebe aus. Dies kann Atemprobleme oder sogar Asthma erzeugen. Als Hauptauslöser im Ambrosia-Pollen galt bisher ein Protein mit dem Namen «Amb a 1». Gegen diese Substanz entwickeln viele Menschen, die mit Ambrosia-Pollen in Kontakt gekommen sind, Antikörper – was grundsätzlich ein Schutzmechanismus des Körpers gegen unerwünschte Stoffe oder Erreger ist, der aber bei einer Allergie fälschlicherweise angestossen wird. 

Doch offenbar ist das Protein Amb a 1 nicht alleine für die entzündliche Wirkung des Ambrosia-Pollens verantwortlich, wie ein Team um Prof. Claudia Traidl-Hoffmann, Direktorin des Institutes für Umweltmedizin an der Technischen Universität München (UNIKA-T, TUM) und Direktionsmitglied von CK-CARE (Christine Kühne – Center for Allergy Research and Education) zeigt: «Erst in Kombination mit Adenosin, das ebenfalls im Ambrosia-Pollen enthalten ist, wird dieser hochallergen», so Prof. Claudia Traidl-Hoffman. 

Die Suche nach dem unbekannten Stoff
Die Wissenschaftler untersuchten gemäss Medienmitteilung der TUM, wie verschiedene Bestandteile des Pollens auf Lungengewebe wirkten. Anschliessend wurde das Lungengewebe auf entzündliche Merkmale – etwa auf das Vorhandensein spezieller Immunzellen – untersucht. Getestet wurden zum einen der gesamte Pollenextrakt oder das Protein Amb a 1, zum anderen das Pollenextrakt ohne Proteine. Das Resultat war überraschend und aufschlussreich, wie Prof. Claudia Traidl-Hoffmann ausführt: «Nur der Gesamtextrakt löste einen allergischen Effekt aus – womit klar war, dass neben dem Protein Amb a 1 noch eine andere Substanz für die allergene Wirkung des Pollens sorgen muss.»

Als interessanter Kandidat für den Stoff X kam Adenosin in Frage. Die Forschenden hatten diesen bereits in hoher Konzentration in Birkenpollen nachgewiesen und er ist auch im Ambrosia-Pollen in grossen Mengen vorhanden. Die Hypothese wurde zum Volltreffer: Nachdem Adenosin aus dem gesamten Pollenextrakt entfernt worden war, traten nur noch sehr geringe Entzündungszeichen auf. Wurde Adenosin alleine verabreicht, konnte ebenfalls keine deutliche allergische Reaktion in der Lunge beobachtet werden. Das heisst: «Nur die Kombination der Stoffe verursacht eine allergische Reaktion», folgert Prof. Claudia Traidl-Hoffmann.

Bald ein mögliches Mittel gegen allergisches Asthma?
Interessant dabei ist, dass Adenosin ja auch natürlich im menschlichen Körper vorkommt. Es ist an vielen Prozessen beteiligt und fast alle Zellen tragen Erkennungsmoleküle für Adenosin auf der Oberfläche. Und wie verstärkt Adenosin schliesslich eine allergische Reaktion? «Pollen-Adenosin bindet an die körpereigenen Rezeptoren und kann in Kombination mit anderen Stoffen Allergien auslösen», erklärt Prof. Claudia Traidl-Hoffman. Die Forschergruppe nennt dieses Phänomen «Cross-Kingdom Signalling», bei dem pflanzliche Botenstoffe an menschliche Rezeptoren binden. 

Die Ergebnisse der Studie sind auch vielversprechend in Bezug auf die Therapie: Da sogenannte Adenosin-Rezeptor-Gegenspieler als Medikamente gegen Asthma helfen können, indem sie die Adenosin-Rezeptoren im Körper blockieren, ist dieser Aspekt auch für die Forschung rund um die Pollen-Allergie wichtig. «Die Daten zeigen, dass Adenosin gerade bei der Verschlechterung einer allergischen Reaktion eine zentrale Rolle spielt. Somit könnte man durch eine Blockade der Adenosin-Rezeptoren womöglich die Entzündungsreaktion hemmen», so die Ärztin und Forscherin.

Publikation:
M. Wimmer, F. Alessandrini, S. Gilles, U. Frank, S. Oeder, M. Hauser, J. Ring, F. Ferreira, D. Ernst, J. B. Winkler, P. Schmitt-Kopplin, C. Ohnmacht, H. Behrendt, C. Schmidt-Weber, C. Traidl-Hoffmann, J. Gutermuth, Pollen-derived adenosine is a necessary cofactor for ragweed allergy, Allergy, Mai 2015.
DOI: 10.1111/all.12642

Der Medizincampus wächst

Deutlich sichtbar für alle wächst in Davos Wolfgang der Medizincampus in die Höhe. 

Forschung, die unter die Haut geht

Neue Methoden der CK-CARE-Forschungsgruppe von Prof. Mirjam Schenk enthüllen molekulare Ursachen der atopischen Dermatitis.

Räumliche Transkriptomik in Kombination mit Einzelzell-RNA-Sequenzierung entschlüsselt das komplexe Netzwerk von Immunzellen bei atopischer Dermatitis

Atopische Dermatitis (AD) ist eine chronisch-entzündliche Hauterkrankung, von der weltweit bis zu 3-5 % der Erwachsenen und 20 % der Kinder betroffen sind. An der Pathophysiologie der AD sind verschiedene Faktoren beteiligt, darunter die Genetik, eine veränderte Hautbarrierefunktion und immunologische Anomalien.

Mantelstudium «ALLERGOLOGIE translational» am Medizincampus Davos

Zehn Medizinstudierende der Universität Zürich (UniZH) nahmen vom 17. bis 20. Juli 2023 am Allergologie-Mantelstudium teil. Sie erhielten einen ersten Einblick in dieses komplexe Fachgebiet und konnten einige praktische Fähigkeiten in der HGK direkt an den stationären Patienten üben.

Das Mantelstudium wird in Zusammenarbeit von CK-CARE mit der Hochgebirgsklinik Davos (HGK) sowie dem SIAF angeboten. Die wissbegierigen Studierenden erlebten vier intensive, eindrucksvolle und sehr interaktive Tage des Lernens am Medizincampus Davos unter der Leitung von Prof. Dr. Peter Schmid-Grendelmeier und Prof. Dr. Roger Lauener und unter der Mitwirkung von weiteren renommierten Fachärztinnen und Fachärzten. Die Dozierenden waren sehr begeistert von der Wissbegierigkeit und dem Interesse der Studierenden an dieser komplexen Thematik.
Die Kombination von Online-Vorkurslernen, Stationsarbeit mit Patientenkontakt, Falldiskussionen und praktischem Anwenden gab den Teilnehmenden einen abwechslungsreichen und vertiefenden Einblick in das Thema Allergologie. Es bleibt zu hoffen, dass der ein oder andere der teilnehmenden Studierenden dies in der ärztlichen Laufbahn integrieren kann.

Jahresbericht 2022

CK-CAREs Arbeiten haben inzwischen weltweite Resonanz und dank dieser starken Position konnten im Berichtsjahr bedeutsame Vorhaben in der klinische Allergieforschung lanciert bzw. katalysiert werden. Ein Highlight war zudem das GAF – Global Allergy Forum 1. bis 4. September 2022 in Davos. Die an diesem zentralen Allergiekongress teilnehmenden internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben ein unter allen Akteuren abgestimmtes Statement verfasst, das im weitverbreiteten wissenschaftlichen Organ «Allergy» unter dem Zitat: «CK-CARE findet Antworten auf die drängenden Fragen wie neue Biomarker, Ansätze für personalisierte Therapie, Prävention durch Intervention im Mikrobiom und insbesondere Edukation» veröffentlicht werden wird.

Neurodermitis-assoziierte Faktoren bei Krankheitsbeginn im Erwachsenen – verglichen zum Kindheitsalter

Die Neurodermitis (=atopische Dermatitis (AD)) wurde lange als eine Erkrankung des Kindesalters betrachtet. Eine Untersuchung der CK-CARE ProRaD-Kohorte zeigte jedoch bei fast einem Viertel der Patienten einen Beginn im Erwachsenalter, für den Risiko- und schützende Faktoren noch weitgehend unbekannt sind.
Wir konnten eine Assoziation von Rauchen und sportlicher Inaktivität als modifizierbare Lebensstilfaktoren mit dem Beginn im Erwachsenenalter zeigen. Eine mütterliche Neurodermitis, erhöhte Gesamtzahl der allergischen Antikörper sowie die Anzahl von sogenannten Atopiestigmata waren lebenszeitübergreifend mit der AD gegenüber Kontrollen assoziiert. Dies sind Merkmale, die bei allergischen Personen häufiger auftreten als in der nicht-allergischen Normalbevölkerung.
Eine eigene sowie mütterliche Nahrungsmittelallergie, höherer familiärer Bildungsgrad sowie eine verstärkte Fältelung der Handinnenflächen waren mit Auftreten einer AD im Kindesalter assoziiert. Innerhalb der AD waren Allergien und mehrere allergische Begleiterkrankungen auf einmal circa 3x unwahrscheinlicher als bei AD- Beginn im Erwachsenen verglichen zum Kindesalter. Nur der isolierte Heuschnupfen war bei Neurodermitisbeginn im Erwachsenen- wahrscheinlicher als im Kindesalter.
Unsere Ergebnisse deuten auf teilweise gemeinsame, teilweise jedoch variierende Merkmale und zugrundeliegende Mechanismen für den Krankheitsbeginn der AD im Kindes- versus Erwachsenenalters hin, tragen zu einer besseren Einschätzung des individuellen Risikos zur Entwicklung einer AD in verschiedenen Lebensphasen bei und unterstützen präventive Massnahme wie Nichtrauchen und Sport.